Spinale Muskelatrophie (SMA) —
Die Spinale Muskelatrophie ist eine Motoneuronerkrankung, bei welcher die motorischen Nervenzellen zur Skelettmuskulatur frühzeitig wegen eines Gendefekts untergehen. Die Krankheit hat teils sehr unterschiedliche Schwergerade und kann zwischen Betroffenen sehr unterschiedlich sein.
Was ist eine spinale Muskelatrophie (SMA)?
Bei der spinalen Muskelatrophie handelt es sich um eine genetische Erkrankung, bei der die motorischen Nervenzellen, welche die Skelettmuskulatur ansteuern, frühzeitig untergehen. In der Folge kommt es zu Lähmungen an Armen und Beinen sowie der Schluck-, Sprech- und Atemmuskulatur. Auslöser ist ein gestörtes bzw fehlendes Protein (SMN-Protein), welches für das Überleben der motorischen Nervenzellen im Rückenmark und Stammhirn notwendig ist. Das übergeordnete motorische Neuron in der Hirnrinde ist hingegen nicht betroffen. Häufig sind von dieser Erkrankung Kleinkinder betroffen. Die Krankheit kann jedoch auch bei etwas älteren Kindern oder jungen Erwachsenen auftreten. Je später sich Symptome zeigen, desto langsamer ist das Voranschreiten der Erkrankung. Es werden unterschiedliche Typen der spinalen Muskelatrophie unterschieden.
In der Regel wird die Erkrankung durch Fachpersonen aus dem Bereich Neuropädiatrie diagnostiziert. Am Muskelzentrum/ALS Clinic werden Patientinnen und Patienten begleitet und behandelt, welche das 18. Lebensjahr erreicht haben. Während vor einigen Jahren eine Behandlung lediglich unterstützend möglich war, existieren inzwischen mehrere krankheitsmodifizierende Behandlungsmöglichkeiten, welche im Muskelzentrum zusätzlich angeboten werden.
Symptome
Die spinale Muskelatrophie hat ihren Ursprung im Rückenmark, welches die Skelettmuskulatur der Arme, der Beine, des Rumpfs und im Kopfbereich ansteuern. Kommt es zu einem Ausfall der Verbindung, wenn die versorgende Nervenzelle abstirbt, resultiert eine Schwäche und ein Muskelschwund. Die Schwäche ist in der Regel rumpfnah, betrifft also vornehmlich Hüfte, Oberschenkel und den Schultergürtel oder die Arme. Die Unterschenkel und Unterarme sind anfangs weniger betroffen. In den allermeisten Fällen beginnt die Erkrankung bereits im Kleinkindalter und wird von den pädiatrischen Krankenhäusern bereits diagnostiziert.
Bei Kindern ist eine Trinkschwäche möglich, meist ein verzögertes oder nicht mögliches Erlernen des freien Sitzens oder der Gehfähigkeit. Bei der schwersten Form, der Spinalen Muskelatrophie Typ 1, kommt es wegen der rasch zunehmenden Lähmungen der Atem- und Schluckmuskulatur meist zu einem Ableben im zweiten Lebensjahr. Bei den milderen Erkrankungsformen, welche nicht kurz nach der Geburt, sondern erst später in der Kindheit oder Jugend erste Symptome verursachen (Typ 2 bzw. 3, sehr selten Typ 4 mit Symptomen erst im Erwachsenenalter), erlernen die Kinder das freie Sitzen oder Gehen, aber verlieren diese Fähigkeiten früher oder später im Laufe des Lebens.
Neben der zunehmenden Schwäche und der motorischen Einschränkung kann es bei vielen Betroffenen zu einer Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung) kommen, welche teils früh operiert und aufgerichtet wird. Mit zunehmender Schwäche der Atemmuskulatur kann eine Unterstützung der Atmung mit einer Maske in der Nacht notwendig werden. Bei Schluckschwierigkeiten kann auch der Einsatz einer Magensonde durch die Bauchdecke notwendig sein, um die Ernährung sicherzustellen.
Gefühlsstörungen oder eine kognitive Beeinträchtigung sind nicht vorhanden, allerdings ist bei Kindern die schulische Entwicklung wegen der Behinderung beeinträchtigt.
Entstehung und Ursachen von spinaler Muskelatrophie
Die spinale Muskelatrophie ist eine genetische Erkrankung, die durch eine Mutation verursacht wird. Dieses Gen ist für die Produktion des SMN-Proteins verantwortlich. Die betroffenen Kinder haben je ein krankes Gen von der Mutter und vom Vater erhalten haben. Die Elternteile haben keine Symptome, da beiden ein gesundes Gen ausreicht, um nicht zu erkranken/gesund zu bleiben. Die Häufigkeit, dass ein Mensch Träger eines kranken und eines gesunden Gens ist, liegt etwa bei 1:40. Hat dieser Mensch dann ein Kind mit jemandem, der ebenfalls mit 1:40 Genträger eines kranken Gens ist, so ist die Wahrscheinlichkeit 1:4 (25%), dass dieses Kind zwei kranke Gene vererbt bekommt und krank wird und ebenfalls 1:4 (25%), dass dieses Kind zwei gesunde Gene vererbt bekommt und gesund ist. Mit 50% Wahrscheinlichkeit hat das Kind dann nur ein krankes Gen vom Vater oder der Mutter und wird nicht krank, kann es aber ebenfalls weitervererben.
Kontakt
Diagnostiken
Meist ist keine ausgiebige Diagnostik zur Bestätigung der Erkrankung notwendig, da die notwendigen Untersuchungen in der Regel bereits in der Kindheit durchgeführt wurden. Gegebenenfalls ist für die Durchführung einer krankheitsmodifizierenden Therapie jedoch nochmals eine aktuelle genetische Untersuchung notwendig, bei der zusätzlich die Anzahl Kopien des SMN 2-Gens bestimmt wird. Im Verlauf der Therapie wird regelmässig die Lungenfunktion gemessen und kontrolliert. Zudem können eine Bestimmung der Knochendichte sowie eine Kontrolle der Wirbelsäule sinnvoll sein. Daneben erfolgt auch eine regelmässige Erhebung der Alltagsfunktionen, um den Verlauf der Erkrankung abzuschätzen.
Lungenfunktionsmessung
Untersuchungen an einem Lungenfunktionsmessplatz lassen ohne grossen Aufwand Störungen des Atemflusses, des Lungengewebes sowie des Gasaustausches (Sauerstoff, Kohlendioxid) erkennen.
Knochendichtemessung
Für die Beurteilung der Knochenfestigkeit wird eine Knochendichtemessung (Osteodensitometrie) von bestimmten Skelettregionen (untere Wirbelsäule, Hüftbereich, evtl. Unterarm) durchgeführt.
Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (ENG)
Mit dieser Untersuchung können Nervenschädigungen im Bereich des sogenannten peripheren Nervenverlaufes aufgedeckt werden. Der periphere Nervenverlauf entspricht beispielsweise dem Nervenverlauf im gesamten Bein oder Arm.
Muskel-Funktionsanalyse (EMG)
Diese Untersuchung erfolgt zur Funktionsanalyse eines Muskels. Dabei wird unterschieden, ob es sich bei einer Muskelfunktionsstörung um eine Schädigung des Muskels oder eine Schädigung der Nerven handelt.
Schluckfunktion Untersuchung (fiber-endoskopische Evaluation des Schluckens FEES)
Die fiber-endoskopische Evaluation des Schluckens (FEES) ist eine Untersuchung bei Schluckstörungen und ein wichtiger Bestandteil einer Schluckabklärung.
Behandlungen
Physiotherapie, Ergotherapie sowie gegebenenfalls Logopädie und ein Training der Atemmuskulatur gehören grundsätzlich zu den nötigen Massnahmen. Darüber hinaus ist auch die optimale Versorgung mit Hilfsmitteln und eine Einbindung der Invalidenversicherung zu gewährleisten. Eine regelmässige Kontrolle bei Lungenfachärztinnen und -fachärzten sowie allenfalls Wirbelsäulen-Orthopädinnen und -Orthopäden sollte erfolgen. Je nach Symptomen kann der Einbezug weiterer Fachdisziplinen sinnvoll sein. Die Behandlung von Begleitsymptomen richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache. Seit einigen Jahren existieren mehrere krankheitsmodifizierende Therapien, welche auf die Gene abzielen. Während die Gen-Therapie mit Zolgensma Kleinkindern vorbehalten ist, steht erwachsenen SMA-Betroffenen eine Therapie mit den zwei verfügbaren krankheitsmodifizierenden Medikamenten zur Verfügung, sofern einige grundsätzliche Bedingungen erfüllt werden. Die Behandlung mit diesen Medikamenten darf nur durch speziell zertifizierte Zentren durchgeführt werden, wozu das Muskelzentrum/ALS-Clinic von HOCH Health Ostschweiz sowie auch das Ostschweizer Kinderspital zählen.
Häufige Fragen
Kann eine SMA geheilt werden?
Der Krankheitsverlauf kann deutlich verlangsamt werden. Es gibt aber keine Heilung im eigentlichen Sinne, auch da die Therapie lebenslang fortgesetzt werden muss.
Kann eine SMA verhindert werden?
Wenn Eltern wissen, dass sie Genträger sind, können beispielsweise durch eine künstliche Befruchtung nur Embryonen verwendet werden, welche keinen Gendefekt aufweisen. Darüber hinaus werden inzwischen in der Schweiz Neugeborene auf eine SMA untersucht. Ist ein Kind positiv und hat keine Symptome, wird in einigen Fällen unmittelbar mit den Therapien begonnen, um den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern, zu verzögern oder zu verlangsamen. Ob der Ausbruch der Krankheit dadurch tatsächlich verhindert werden kann, ist jedoch unklar.